Was könnte für einen „Depressiven“ (gebe dem Kind nur einen Namen, ein Begriff ist nie genug) die vollendete Katastrophe von einem Abend sein?
Zutaten:
Antidepressiva (Kein Alk!), Nichtraucher (Scheiss Lunge, allergisches Asthma, chronische Atemwegprobleme), bedacht möglichst nicht aufzufallen, schlechter Tag, eingebautes Unwohlsein bei vielen fremden Menschen auf engstem Raum, absolute Abneigung gegen Smalltalk, Unfähigkeit eigenes Unwohlsein zu äußern und um Nachsicht zu bitten
Vorgefundene Situation:
Geburtstag einer guten Freundin, viele fremde Menschen in einer kleinen Wohnung, 80% Raucher (es wird in der Wohnung geraucht), alle voll wie 1000 Russen, Trinkspiele, Tabu wird gespielt (wollte doch keine Aufmerksamkeit, Panik!), unsägliche Lautstärke, Kopfschmerzen und Übelkeit vom Qualm, Fahrt in die volle Stadt, die volle Stadt, Laden mit nüchtern nicht ertragbarer und lauter Musik, Menschen, noch mehr Menschen, Ich selbst (Naja gut, immerhin auch ein Mensch)
Uff. Das war echt nicht schön. Wenn mensch sich doch überbewindet, einer Freundin und sich vielleicht auch selbst den Gefallen tun will und es nachher, wie eigentlich schon absehbar war, noch beschissener ist als vorher. Kennt ihr das? Nervig.
Gesellschaftsfähig sein in einer Gesellschaft, in der ich aktuell keine Bestimmung und keine Perspektive für meine Art zu denken sehe, das geht nicht auf. Blöd eigentlich, es könnte alles so einfach sein.
Selfies. Ständig Selfies. Ich hasse es! Grimassen, unnatürliche Haltungen, aufgesetztes Lächeln. Bin schon damit ausgelastet die Zeit zwischen den Selfies mit Schein-Sein zu füllen, da ist jede weitere Sekunde zu viel.
Schreibe jetzt natürlich ohne den eigentlich nötigen Zeitabstand zum Geschehenen. So ist es aber auch unverfälschter und die volle Dröhnung Finsternis, die in meinem Kopf pulsiert.
Natürlich will ich nicht den anderen die Schuld für meine Probleme geben. Ich selbst trage die Verantwortung dafür und habe es mir letztendlich irgendwie auch so ausgesucht.
Ihr merkt schon, heute gab es keine Lichtung. Von Tag zu Tag, nach wie vor!
Aus dem finstersten Nadelwald
Tanne
Deine Tageszutaten lassen mir schon beim Lesen einen Grusel zurück (ohne dass ich jemals über das Etikett „depressive Verstimmung“ hinausgekommen wäre). Dieses Unwohlsein in großen Gruppen, selbst unter besseren Bedingungen…
Ich glaube, dein Satz „Gesellschaftsfähig sein in einer Gesellschaft, in der ich aktuell keine Bestimmung und keine Perspektive für meine Art zu denken sehe, das geht nicht auf.“ trifft es genau. Solange wir unsere eigene Art zu denken und fühlen nicht als wichtig für unsere Umgebung ansehen, solange bleibt das Gefühl von Fremdheit, von „Schein-Sein“. Zumindest war und ist es bei mir so, wie ich gerade bemerke.
Du siehst: Dein Beitrag ist mir heute Morgen Anregung und Lichtung!
Danke dafür von der Hummel
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Vielen Dank! Schonmal ein besserer Start in den Tag als der gestrige.
Wie beschrieben, entstand der Beitrag aus keiner sicheren Entfernung zum Erlebten. Das ist dann automatisch dramatischer, es lässt mich grad selbst etwas erschaudern, wie so oft.
Zeigt, wie schnell und wie tief mensch in ein so dunkles Loch fallen kann, so zumindest bei mir.
Nochmal danke für deine Kommentar, das freut mich!
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Solche Abende kenne ich – da fragt man sich echt: Was mache ich eigentlich hier?
Aber manchmal muss man sich dem Gesellschaftsleben einfach unterordnen.
LG
Wibi
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Schaffe ich auch meistens. Gestern kam offenbar zu viel für mich zusammen.
Leider doof gelaufen. Ich sollte in so einer Situation vielleicht mal eine Kurzgeschichte auf die Tastatur rotzen, da würde sogar Stephen King Angst bekommen.
Gruß und danke
Tanne
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Ich glaube nicht. Wenn man gesund werden will, muss man lernen, auf sich selbst zu achten. Auf sich selbst zu hören. In der Regel weiß man ja, dass solche Abende kein Vergnügen sind. Also – aus dem Muster ausbrechen und Nein sagen. Die Freundin kann man später treffen, an einem anderen Tag, dann hat man auch was vom Gespräch.
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Versuche im Moment, mir das bewusster zu machen. Ist allerdings schwer, da die Gedanken und Gefühle oft keine Lust haben, meinem Geist anzuhören..
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*meinen
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Das ist ja auch schwer.
Ich meinte auch eher das Nein, das aus dem Bauch kommt. Also das Gefühl.
Ich kenne es eher so, dass ich ein Nein fühle und doch Ja sage (oder sagte). Und hier achte ich mehr auf mich.
Alles Gute dir.
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Es wird nicht einfach, aber ich versuche mich in den entsprechenden Momenten konstruktiv mit mir selbst auseinanderzusetzen.
Besten Dank!
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Manchmal weiß man vorher aber leider nicht wie der Abend sich entwickeln wird …
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Nun, wenn man auf der Party ist, dann muss man eben gucken, was so ist. Ich meinte aber vorher: Wie ist meine Einstellung dazu, überhaupt auf eine Party zu gehen, mich Smalltalk auszusetzen, vielen Menschen, Geräuschen. Wenn ich da den Impuls spüre, lieber allein zu sein, zu Hause zu bleiben, dann tue ich das mittlerweile und habe auch nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Es ist dann genau richtig.
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Das Gefühl etwas zu verpassen ist bei mir leider noch ziemlich stark..
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Du bist jung. Da ist das ganz normal. *Lächel*
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Psscht..
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…Gesellschaftsfähig sein in einer Gesellschaft, in der ich aktuell keine Bestimmung und keine Perspektive für meine Art zu denken sehe, das geht nicht auf…
Auch für mich geht es nicht auf… wohl für viele andere Depressive auch nicht.
Sehr schöner Text. Ich erlebe diese Situation auch immer wieder.
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Danke für das Lob!
Ja, das ist in der Tat ein Problem. Sie zu lösen ist auch ein Problem. Gibt ne lange Kette, wenn das so weiter gesponnen wird..
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Was meinst Du, wie viele Leute, die sich auf der Party besoffen haben, ging es wohl nüchtern ganz genauso?
Mittlerweile meide ich solche Feierlichkeiten, weil sie mich entleeren. Wer mich mag, akzeptiert das. Der Rest ist mir mittlerweile völlig egal. LG Simone
… und schöne Texte, da folge ich gerne…
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Entleeren trifft es. Bei mir aber lange nicht immer. Kommt auf den Gesamtkontext an.
Vielen Dank!
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es gibt Tage … da will die Säge sägen … und wenn ich mich nicht so gut im Griff hätte … wäre HEUTE so ein Tag …
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Mich im Griff zu haben muss ich noch lernen. Sich nicht von übersteigerten Gefühlen übermannen zu lassen ist eine schwere Angelegenheit..
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wie wahr … wie wahr …
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Das geht nicht nur dir so. Ich kenne diese Empfindungen, das Denken und das Unwohlsein in solchen Situationen von meinem Freund. Manchmal ist es besser auf sich selbst zu hören, auch wenn man denkt man tut seinen Freunden etwas Gutes. Ehrlichkeit ist für solche Situationen die halbe Miete – insbesondere für dich.
Danke für deine ehrlichen Worte und Beschreibungen. Es hilft mir zu verstehen. (Ebenso übrigens das Selbstgespräch bzgl dem aufstehen am Morgen)
Liebe Grüße und Kopf oben halten. 🙂
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Die eigenen Bedürfnisse nicht immer zu übergehen fällt mir in der Tat etwas schwer. Bin dabei, etwas dagegen zu unternehmen.
Ich entnehme dem Kommentar, dass dein Freund in einer ähnlichen Lage ist. Wenn ich dir mit meinen verschriftlichten Ausführungen helfen kann, freut mich das sehr.
Dir und euch viel Kraft!
Gruß
Tanne
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Ab einem bestimmten Punkt geht es nur noch darum, sich selbst zu vertrauen.
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Wow wie ehrlich und verdammt passend dein Erlebnis den vielen gleicht denen ich mich schon ausgesetzt habe bzw. aussetzen musste. Ich hoffe du konntest etwas Kraft tanken um alles etwas sacken zu lassen. 🙂
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Freut mich, oder auch nicht, dass du dich wieder finden kannst.
Och joa, es geht nunmal weiter, die vierte Dimension kennt keine Gnade.
Danke!
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Es würde mir genauso gehen – keine Depressive. Du hast also einen skurrilen Abend als „normaler“ Mensch erlebt! 😉 Alles Gute, ich mag deine Texte.
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So kann mensch es auch sehen 😁
Vielen Dank!
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