Heute ist für mich (Vorsicht: coming-out!) als leidenschaftlicher Fan der einzigwahren Fortuna aus dem schönsten aller Dörfer an der Düssel ein ganz besonderer Jahrestag. Am 30.10.2011 hatte die Fortuna ein Spiel in Frankfurt. Nicht bei der Eintracht, sondern beim ungleich kleineren Stadtrivalen des FSV. Das waren eigentlich immer recht trostlose Spiele, auch auf den Rängen spielte sich nie etwas spektakuläres ab. Alles total unaufgeregt, einfach nur trostloser Zweitliga-Alltag. Nicht aber an diesem Tag vor genau sechs Jahren.

Ich war nicht live dabei. Zu dieser Zeit war ich noch etwas zu jung um alleine oder mit Freunden durch Deutschland zu touren. Bereits in der Nacht vor dem Spiel wurde die sonst so von allein laufende Routine durchbrochen. Die Betonung liegt auf „brochen“, denn zwei Stammspieler, darunter der Torwart, übergaben sich die ganze Nacht. Dazu kam, dass der Ersatztorwart hohes Fieber bekam – ebenfalls aus dem Nichts. Als dann noch der erfolgreichste Stürmer des Teams bewusstlos in der Dusche zusammenbrach, schien das Chaos vollkommen. Es sollte jedoch noch wesentlich schlimmer werden.

Adriano Grimaldi, damals ebenfalls Stürmer bei der Fortuna, erhielt in eben jener Nacht die Benachrichtigung, dass seine 16-jährige Schwester und die Lebensgefährtin seines Bruders bei einem Autounfall verstorben sind. Das geschah auf dem Rückweg von einem Basketballspiel, in welchem Grimaldis Bruder einer der Spieler war. Grimaldi bat um die Erlaubnis, sofort zu seiner Familie zu reisen, welche natürlich erteilt wurde.

Am nächsten Tag, dem Spieltag, entschieden sich Fortunas Offizielle trotz allem dafür, beim FSV anzutreten. Um 13 Uhr. Um 13 Uhr! Was meint ihr, wie fit, ausgeruht und erholt die Spieler waren? Da wird wohl keiner auch nur eine Sekunde geschlafen haben.

In der Überschrift steht: „Tragik bewegt zu Schönheit“. Für die Tragik war bereits hinlänglich gesorgt. Für die Schönheit waren an diesem Nachmittag die Fans auf beiden Seiten verantwortlich. Nach und nach sickerte trotz Verschwiegenheit der Offiziellen, in Rücksicht auf Grimaldi, langsam durch, was so alles in der Nacht geschehen war. Den meisten fiel es wohl zunächst an der Aufstellung auf, welche notgedrungen kunterbunt zusammengewürfelt war. Als aber bekannt wurde, was der Familie Grimaldi zugestoßen war, baten die Fans der Fortuna darum, den Innenraum betreten zu dürfen, was auch gestattet wurde. Überragende Aktion übrigens vom FSV! Unter dem Beifall der Frankfurter Zuschauer legten viele Fortunen ihre Schals auf den Rasen vor der Gästekurve, um ihre Anteilnahme und Solidarität mit der Familie Grimaldi zu zeigen. Die Mannschaft kam dazu, es wurde sich umarmt und warme Worte wurden ausgetauscht. Viele der Frankfurter blieben länger im Stadion, um sich mit den Düsseldorfern auszutauschen und ihr Beileid auszudrücken.

Das Foto oben zeigt, wie die Spieler nach dem Spiel in die Gästekurve zu den mitgereisten Fans gehen. Das Foto ist von der Rheinischen Post, bei welcher ich mich für den schönen, heute erschienenen Artikel als Erinnerung bedanken möchte.

Sportlich rückte dieser Nachmittag in den Hintergrund. Die Fortuna gewann trotz 1:2 Rückstand zur Pause das Spiel noch mit 5:2 und stieg ein paar Monate später in die Bundesliga auf. Was sich an diesem Tag auf dem Platz und den Rängen abspielte, rührt mich bis heute. Tragischerweise in der jetzigen Situation eine Lichtung für mich, die mir ungewollt beim schreiben die Sonne aus dem Arsch scheinen lässt.

Mit rot-weißen Grüßen an alle Fußballfans und normale Menschen da draußen

Tanne