Wohl mal wieder ein Beitrag für die Kategorie Gedankenkotze. Sorry dafür. Ist mir aber wichtig, betrifft eigentlich auch uns alle.

Die Selbstverwirklichung ist in unserer Gesellschaft irgendwie zu einem Kitsch verkommen, anstatt als Ideal über allen anderen Dingen zu schweben. Das ist seltsam, denn eigentlich liegt sie tief verwurzelt in der Natur des Menschen. Irgendwo tief in sich drin möchte wohl jedes menschliche Wesen das besondere Talent finden, die eine Sache, die sich als Bestimmung auftut und von da an als höhere Gabe angesehen wird. Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder Mensch so etwas in sich selbst finden kann. Nur die wenigsten schaffen es zur Zeit. Noch weniger erreichen mit ihrer Gabe irgendeine Form von eigentlich verdienter Aufmerksamkeit in der Gesellschaft. Warum ist das so?

Die Antwort darauf kann nicht in wenigen Zeilen gegeben werden. Sie muss eine ganze Philosophie zugrunde liegen haben, die sich über mehr als nur geschriebene Worte erstrecken sollte. Die Philosophie müsste den Menschen auf jeder geistigen Ebene durchdringen, die Kanäle und Zugänge öffnen, um die Grundvoraussetzung zu schaffen. Und doch könnte sie so einfach sein.

Forsche in dir selbst. Höre deinen Geist. Spüre sein Verlangen. Manifestiere es. Befriedige es. Verwirkliche dich selbst. 

Schön wär’s, oder? Wir stehen uns dabei, wie bei so vielen Dingen, in erster Linie selbst brutal im Weg. Wir stehen uns nicht nur im Weg. Wir legen Bärenfallen aus, graben tiefe Löcher, vertauschen Wegweiser und hinterlassen unserem Geist auf seinem Pfad nur verbrannte Erde. Das schlimmste daran ist nicht, dass wir es machen. Das eigentliche Problem ist viel mehr, dass wir uns dessen die meiste Zeit nicht einmal bewusst sind. Oder liege ich da so arg falsch? Wenn wir ehrlich sind, ist unsere ganze Gesellschaft zur Zeit darauf ausgelegt, für alles mögliche zu funktionieren, nur nicht für uns selbst. Wie eine Orange presst sich Generation um Generation aus. Wohin geht der ganze Lebenssaft? Was haben wir eigentlich noch davon? In Europa genug um zu existieren. In Afrika ist nichtmal das garantiert. Oder im nahen Osten. Oder in Indien. Naja, lassen wir das.

Das Problem ist also viel mehr, dass wir das Gegebene akzeptieren. Basta. Es ist halt so, wie es ist. Das wäre jetzt eine passende „Weisheit“. Wie traurig. Kein Wunder, dass so viele neben körperlichen Belastungen auch seelisch kaputt gehen. Bei mir trifft fairerweise gesagt nur letzteres zu. Wir nehmen so vieles hin und sehen es als, Achtung geflügeltes Muttiwort, alternativlos. Bäh. Das kann es doch nicht sein. Fängt schon beim Bildungswesen an. Wo bleibt da Raum für kreative, oder gar individuell-kreative Entfaltung? Im Lernplan eher nicht. Kann mensch den Lehrern nicht vorwerfen, die kriegen ja auch vieles vorgekaut und auf das Pult gerotzt.

Berufsinformationszentrum. Grauenhaft. Wie kann mensch nur Schüler den gelangweilten Beamten aussetzen, die einem ja auch nur Leid tun können, um ihnen „Möglichkeiten“ für die Zeit nach der Schule aufzuzeigen? Schickt doch mal nen Schriftsteller, nen Handwerkermeister, nen Politiker oder einen Verteter der Kunstakademie in die Schule. Philosophen, Naturwissenschaftler und andere Gelehrte aller Art. Kreative Projektmonate, nicht nur Wochen.

Da fängt es schon an. Wir sitzen in der Mitte eines so riesigen Tellers, dass wir den Rand schon gar nicht mehr sehen können oder wollen. Und anstatt aufzustehen und zu rennen, bleiben wir sitzen und warten ab. Klar könnten wir auf halbem Weg versagen. Aber der halbe Weg kann so schön sein, dass es sich alleine dafür schon gelohnt hat. Wer bis zum Rand kommt hat hoffentlich einen Fallschirm dabei, damit mit Anlauf herunter gesprungen werden kann, um diesen öden Teller endlich zu verlassen. Vorher aber noch einen fetten Haufen auf diesem hinterlassen, nicht vergessen! Eine Duftmarke für die anderen.

Ich selbst befinde mich zur Zeit auch noch in der Komfortzone, so ehrlich muss ich sein. Ist schon ein ganz schöner Akt, überhaupt erst aufzustehen, um das eigene Leben in die Hand zu nehmen.

Versuchen wir doch, unsere Gesellschaft etwas umzugestalten. Variabler sein, kreativer sein. Jede Art der Selbsterfüllung ist einem jeden Menschen zu gönnen. Nicht jede/r wird Schriftsteller oder Künstler sein. Darum geht es ja auch nicht. Jede Art von Beruf(ung), der für ein Zusammenleben mit mehreren erforderlich ist, kann mit solchen Menschen besetzt werden, garantiert. Das Wesentliche ist uns irgendwie aus dem Hauptaugenmerk gerückt und wir drohen unsere menschliche Natur aufzugeben. Verrohung, Leid, Depression, Krieg, Hass, Ungerechtigkeit, Neid. Könnten das nicht die Folgen der Unterdrückung unserer eigenen Natur sein? Sie wehrt sich, ruft nach Hilfe, doch wir mauern sie immer wieder ein.

Ich weiß, dass diese Gedanken aktuell nicht realitätsnah sind, zumindest was die Umsetzbarkeit angeht. Ich lebe nicht in einer Seifenblase. Schön wär’s, dann würde ich wohl jetzt kaum von der Ballerburg (Klapse) aus schreiben. Aber welcher große gesellschaftliche Umbruch wurde schon von realistischen Gedanken angeführt? Bewahren wir uns doch etwas Idealismus, etwas Romantik, etwas Weitsicht.

Einen schönen Abend noch allerseits

Eine aufgewühlte Tanne