Der Sitzkrieg. Ein Krieg, den mensch fast schon für Frieden halten könnte. In meinem Geist herrscht aber lange kein Frieden. Der zahlenmäßig starken Armee der negativen Gedanken, der Hoffnungslosigkeit und Frustration steht nun ein langsam wachsendes Heer der positiven Gedanken gegenüber. Die Initiative liegt dennoch klar bei dem zuerst genannten Heer. Die Gefühlsfront ist breit und kann an vielen Stellen mit Leichtigkeit durchbrochen werden. Die Verteidiger sind zumindest gewarnt und konnten bereits in einigen Schlachten Erfahrungen sammeln.

Wann und wo wird der nächste Angriff beginnen? Leider konnte ich noch keine imaginäre Maschine entwickeln, die meinen geistigen Enigma-code knacken könnte. Die Sturmangriffe sind also wieder aus dem Nichts zu erwarten, eine bis an die Zähne bewaffnete Truppe, die aus den Nebelschwaden bricht und die Verteidiger das Fürchten lehrt. Die Attacken sind seltenst vorraussehbar, aber vielleicht können sie früher gestoppt werden, als noch vor wenigen Monaten. Ich werde es erleben.

„Der Krieg bringt nur das schlechteste in uns zum Vorschein“

So sagte es Tom Schilling so schön in „Unsere Mütter, unsere Väter“. Wie sieht es mit dem geistigen Krieg aus? Hier gelten natürlich ganz andere Gesetze, als im direkten Krieg mit anderen Menschen, Gruppen, Nationen oder Aliens. Trotz einiger guter Dinge, die in letzter Zeit so passieren, ist sie omnipräsent und gut sichtbar, die Armee der dunkelsten Winkel meines Geistes. Triumphierend werden Beutestücke von früheren Einfällen präsentiert. Sie lauern auf die nächste Chance, eine neue Schwachstelle in der wackligen Verteidigungslinie.

Die Wunden sind kaum geheilt und noch frisch. Die letzten Angriffe wirken immer noch spürbar nach. Es ist kein Frieden geschlossen worden, es wird vermutlich auch niemals einen garantierten und sicheren Frieden geben. Ein Waffenstillstand ist kein Frieden, aber er wäre eine akzeptable Lösung, um wieder Kraft zu schöpfen. Noch ist es nicht soweit, auch ein Waffenstillstand muss erzwungen werden. Kann jemals Licht in ein paar der dunklen Ecken gebracht werden? Falls ja, was findet sich dort? Fragen, deren Beantwortung zur Zeit noch ewig weit entfernt zu sein scheint.

Der seit kurzem immerhin zum Sitzkrieg gewordene Krieg im Geiste wird also noch lange fortdauern. Ob als Sitzkrieg oder wieder als aktive Auseinandersetzung wird sich zeigen.

Jeder Mensch kennt diese Spannungen, da bin ich mir sicher. Wir alle durchleiden manchmal Phasen, in denen die negative Seite die klare Oberhand zu haben scheint. Ein solcher Zustand ist auf Dauer enorm zermürbend und kaum auszuhalten. Da ist dieser Sitzkrieg schon fast als kleines Ruhepause zu sehen. Ich mache mir aber nichts vor, es kann jederzeit wieder in das bekannte Extrem kippen und mich in ungeahnte Tiefen ziehen. Wachsamkeit und Achtsamkeit werden zu immer wichtigeren Bestandteilen meines Lebens. Das sollten sie bei allen sein, unabhängig der vorhandenen oder nicht vorhandenen Probleme.

Was mich angeht, ist einiges noch unklar. Ein paar wenige Klarheiten zeichnen sich aber immerhin ab, etwas Balsam für die klaffenden Wunden des Geistes. Wenn ich mich selbst aus der Beobachterposition betrachte, kann ich immerhin gespannt sein, wie es mit mir weitergeht.

Grüße vom Kriegsberichterstatter

Tanne