Nee. Also echt nicht. Dafür ist noch zu viel los in meinem Oberstübchen. Zu viele vernichtende Gedanken, die blutrünstig alles niedermetzeln, was Freude aufkommen lassen könnte. Ich habe nach wie vor so viel Energie wie ein verfettetes Zuchtschwein auf einem Quadratmeter Käfig in einer deutschen Zucht- und Schlachtfabrik. Nein, ich bin nicht fett. Eine Baustelle, die für mich immerhin noch nie wirklich eine war. Ein bisschen wie BER vielleicht? Naja, scheiss industrielle Massentierhaltung!

Dabei hätte ich mittlerweile wieder ein paar Gründe, optimistischer in die ominöse Zukunft blicken zu können. Der Abbruch des alten Wegs, der Aufbruch in neue Wege. Dazu zählt neben dem Wechsel des Studiums auch eine neue Wohnung. Eine neue Wohnung bedeutet nicht nur symbolisch, sondern auch ganz praktisch einen Neuanfang. Einige der alten Dinge, die mir jahrelang beim verwesen zugeschaut haben, können nun endlich über Bord geworfen werden. Ein paar müssen leider nochmal mit, aus Kostengründen versteht sich. Aber insgesamt stellt sich nach dem Umzug hoffentlich ein neues Lebensgefühl ein. Bisher konnte ich es noch nicht spüren. Das ist echt belastend. Ich sollte nicht zu hohe Erwartungen stellen, innerhalb weniger Monate wird sich wohl kaum eine komplett neue Lebensenergie aus dem Nichts einstellen und zum fröhlichen Verbrauch bereit melden.

Und so schreitet die Zeit unaufhörlich ihren strammen Marsch voran. Wird das eigentlich nochmal langsamer oder geht das immer noch schneller? Schon beängstigend, wie rasant die Monate dahinschmelzen können. Ich komme da kaum hinterher, das ist mir zu viel Leben auf einmal. Halten die Menschen auch mal inne? Verdammte Hektik überall. Das Motto meiner letzten Monate lässt sich wohl frei nach Johann König formulieren: „Eure Arbeit die macht Sinn, ich leg mich jetzt wieder hin.“ Genial, der Mann! Nein liebe Freunde, ich lebe nicht auf eure Kosten. Also zumindest nicht auf die der mir fremden Steuerzahler. Und selbst wenn, hättet ihr immerhin das Geschreibsel hier als Produkt eurer freundlichen und garantiert freiwilligen Bereitstellung von Geldern. Toll, oder?

In zwei Wochen werde ich bereits in der neuen Wohnung sitzen. Sie ist glücklicherweise nicht weit von der gleichsam befremdlichen wie lebenserhaltenden Einrichtung Psychiatrie entfernt, falls wieder einmal alle dünne Stricke reißen und die fragilen Sicherungen aus ihren unsicheren Positionen springen. Insgesamt also gar nicht mal so verheerende Aussichten. Dennoch fehlt ein neues Gefühl. Eigentlich fehlt alles, was einen Menschen wirklich überlebensfähig machen könnte, wenn er/sie auf sich alleine gestellt wäre. Ein äußerst verwirrender Zustand, der komplett surreal zu sein scheint und mich mit aller Gewalt gefangen hält. Kafka hätte daraus sicherlich eine grandiose Geschichte machen können. Ruhe in Frieden, Meister aller Feen und Geister!

Was kann einen Menschen, der eigentlich alles notwendige hat sowie einen im Vergleich zu anderen Leuten mittelgroßen Luxus genießt nur derart quälen? Es kann nicht nur die mangelnde Selbstverwirklichung sein, das wäre zu wenig. Mit Sicherheit spielt noch die Gewissheit mit hinein, dass der eigene Wohlstand einzig und allein auf der Armut anderer Menschen beruht. Denn darauf basiert das System, welchem wir uns zur Zeit bereitwillig unterordnen. Die Erträge (Zinsgewinne) des einen sind nunmal die Schulden und damit die Armut des anderen. Alles basiert auf Schuldenmacherei. Schuldenkrisen werden mit noch mehr Schulden „gelöst“, nennt sich dann aber Wachstum. Global gesehen sind die Länder der sogenannten „Dritten Welt“ unsere Schuldner und wir sind die Gläubiger, die sich großzügigerweise von den Schwächeren ihren Luxus ermöglichen lassen, von den essenziellen Gütern wie Nahrung, Wasser und Bekleidung mal ganz abgesehen. Klingt irgendwie etwas feudal. Ist es mittlerweile auch, wir kaufen denen ja sogar ihr Land unter dem Allerwertesten weg, googelt mal „land-grapping“. Jetzt kommt mir nicht mit hohlen Phrasen, wie sie gewisse Wirtschaftsweisen seit Jahrhunderten absondern. Letztendlich wissen wir es alle besser. Ich befinde mich in der selben Komfortzone und bin dabei, kleine Tippelschritte aus ihr heraus zu machen. Immerhin etwas! Schönsaufen kann mensch sich das allerdings nicht, glaubt mir. Manchmal stößt auch der Alkohol an seine Grenzen. Es bleibt die bittere Erkenntnis: Eigentlich sind wir alle hier im reichen Westen ganz schön zynische, egoistische und widerliche Puplöcher mit riesigen Wohlstandsplautzen. Wenn nicht am Körper, dann zumindest im Geiste.

Fühlt ihr euch beleidigt? Gut, ich mich auch! Galgenhumor muss nicht nur für einen alleine sein, es gibt auch Massenhängungen. Hört ihr die grölende Menge?

Ich schweife wieder etwas ab und mache die Probleme der gesamten Welt zu meinen eigenen. Das ist dann auch nicht so gesund, wie ich regelmäßig merke. Dazu ein rheinisches Sprichwort: „Wat willste maken? Kackste in’s Bett, kackste in’s Laken!“

Mit diesen wunderbar vulgären, wie auch zutreffenden Worten verabschiede ich mich wieder und kehre zurück in den dunklen Nadelwald.

Bis neulich.

Tanne