Hiermit melde ich mich lebendig und zurück! Ich war eine lange Zeit inaktiv, was nicht zwingend mit meinem Zustand zu tun hatte. Es fehlte mir schlicht und ergreifend die Motivation und vielleicht auch die Inspiration, weiterhin in die Tasten zu hauen. Diese Phase möchte ich vorerst (!) für beendet erklären.

Bevor ich zum eigentlichen Thema des Textes komme, möchte ich ein kurzes persönliches Update geben. Ich bin jetzt in meiner neu eingerichteten und eigenen Wohnung und kann mittlerweile auch Zeit und Ruhe mit mir allein genießen. Ich habe einen Studentenjob beim WDR in Düsseldorf (seit etwa zwei Monaten) und fühle mich auch in diesem ganz wohl, auch wenn die Tätigkeit dort nicht allzu anspruchsvoll ist. Mein soziales Leben hat sich kaum verändert, nach wie vor kann ich voll und ganz auf Familienmitglieder und enge Freunde zählen, was auch an den schwärzesten Tagen den Lebensfunken am glühen hält. Trotz allem macht sich in mir immer wieder eine Leere und Hoffnungslosigkeit breit, die kaum in Worte zu fassen ist und an manchen Tagen alles andere zu verschlingen droht. Nach häufiger kritischer Selbstreflexion musste ich feststellen, dass sich meine Situation trotz der Veränderungen nicht wesentlich gebessert hat. Mir ist klar, dass dies ein langer und schwerer Prozess wird, aber die gegenwärtige Lage lässt leicht die Frustration an Raum gewinnen. Der Kampf geht also in seiner vollen Härte und Erbarmungslosigkeit weiter. Dennoch sind die von mir bereits vor einem halben Jahr beschriebenen „Lichtungen“ existent und wahrnehmbar!

So, nun zum eigentlichen Inhalt des heutigen Geschreibsels. Wie an der Überschrift unschwer zu erkennen ist, habe ich mir die die am letzten Freitag auf Netflix erschienene zweite Staffel von „13 reasons why“ (zu deutsch unsinnigerweise: „tote Mädchen lügen nicht“) angeschaut. Ich versuche gröbere Spoiler zu vermeiden, muss aber natürlich trotzdem davor warnen, dass diese vorkommen können. Für diejenigen, die diese Serie nicht kennen vorab: Anschauen lohnt sich, die Triggergefahr ist aber auf jeden Fall vorhanden, wie ich selbst gemerkt habe, obwohl mir die Dinge, welche in der Serie der Hauptcharakterin und Suizidentin „Hannah Baker“ widerfahren sind in dieser Form zu keiner Zeit passierten. Meine Depressionen haben andere Ursachen und Faktoren, keine einzelne ist wie die andere. Trotzdem muss ich gestehen, dass diese Serie es in jeder Folge schafft, mich innerlich aufzuwühlen, was mich gleichzeitig erschreckt, aber auch zur Selbstreflexion anregt.

Ich fasse den Inhalt der ersten und zweiten Staffel mal ganz grob zusammen. In der ersten Staffel dreht sich alles um die Umstände des Suizids von „Hannah Baker“, welche vor ihrem Freitod 13 Kassetten aufgenommen hat, auf welchen sie einzelne andere Charaktere direkt anspricht und die Gründe für ihre Entscheidung, ihr Leben zu beenden, darlegt. Jede Folge behandelt eine dieser Kassetten und somit auch eine Person aus dem Leben Hannahs. Es gibt eine weiter Hauptfigur namens „Clay“. Clay war in Hannah verliebt, aber auch ihm ist eine Kassette gewidmet. Er versucht zu verstehen, warum Hannah eine solche Entscheidung getroffen hat und wie es ihm passieren konnte, dass er nichts davon im Vorfeld bemerkt hat. Es dreht sich also besonders in der ersten Staffel viel um Alarmsignale und um das Leben und Mobbing an der Schule, in diesem Fall etwas klischeehaft die amerikanische Highschool. Ich denke aber, dass sich Struktur des Mobbings, welche die Serie darzustellen versucht, auf fast jede Schule weltweit übertragen lässt. In diesem Fall spielen sehr viele Faktoren zusammen, welche Hannah letztlich in den Tod gehen lassen. Von „slut-shaming“, wie es mittlerweile bezeichnet wird, über die Verbreitung beschämender Bilder, die Wahrnehmung als bloßes Sexobjekt und zuletzt sogar Vergewaltigung. Dazu kommt das allgemeine Getuschel und Gelästere, wie es an Schulen leider üblich ist. Was löst so etwas in Menschen aus? Auch mit dieser Frage beschäftigt sich die Serie sehr eingehend. Nicht nur mit Hannah Baker, auch mit anderen Charakteren, die von den oben genannten Faktoren, aber auch ganz anderen Einflüssen und Eindrücken konfrontiert werden.

Hier lässt sich der Bogen zur zweiten Staffel schlagen, in welcher die Eltern von Hannah gegen den verantwortlichen Schulbezirk klagen, da sie davon überzeugt sind, dass die Schule die Hauptverantwortung für den Freitod ihrer Tochter trägt. Die Schule hätte die Warnsignale erkennen müssen, sie hätte auf das offensichtliche Mobbing besser reagieren sollen. Auch ein extra dafür eingestellter Vertrauenslehrer unterschätzte trotz Gespräch mit Hannah, in welchem sie sich indirekt als schwer Suizid gefährdet offenbarte, komplett die Lage und ließ sie einfach aus seinem Büro spazieren. Vor Gericht sagen viele ihrer ehemaligen Mitschüler und Freunde aus, sogar ihre Vergewaltiger, ein reicher und beliebter Sportler der Schule, wird in den Zeugenstand gebeten und verhört. Wie in Staffel eins werden die Gründe für Hannahs Ableben thematisiert und im Mittelpunkt steht diesmal nicht nur die Verantwortung der einzelnen Mitschüler, sondern auch Hannahs eigenes Verhalten wird kritisch unter die Lupe genommen. Interessant ist zudem in dieser zweiten Staffel, was sich übrigens bereits in Staffel eins andeutete, ein vermeintlicher Nebenschauplatz. Ein weiterer, von schweren Mobbing betroffener Schüler, steuert wie Hannah auf eine Verzweiflungstat zu. Welche das ist, möchte ich nicht verraten, einige können es sich aber bestimmt denken. Mehr möchte ich inhaltlich auch gar nicht wiedergeben.

Wie ich bereits sagte, hat mich diese Serie immer wieder neu aufgewühlt. Ich muss gestehen, dass ich mich bei den meisten Folgen sehr unwohl gefühlt habe, da ich vermutlich aufgrund meiner eigenen Lage nicht den nötigen Abstand zu dieser eigentlich fiktiven Darstellung gewinnen kann. Dennoch habe ich die Serie innerhalb kurzer Zeit geschaut und blicke jetzt etwas ausgeglichener auf die noch frischen Eindrücke zurück. Die Serie beschäftigt sich mit sehr diversen Formen von physischer, aber auch seelischer Gewalt. Die physische habe ich selbst in dieser Form nicht erfahren, die seelische kann ich allerdings gut nachvollziehen, wenn auch aus anderen Gründen. Sich allein zu fühlen, als Fremdkörper in der Welt, als könnte mensch mit niemand anderem reden als mit dem eigenen, sich wild überschlagenden Geist. Das ist eine der größten seelischen Qualen, welche ein Mensch erleiden kann. Im Fall von Hannah Baker wird diese Qual durch wiederholtes Mobbing ausgelöst. Ihr innerlicher Tod erfolgt durch die bereits erwähnte Vergewaltigung. Der Versuch, darüber zu reden, schlägt fehl und wird zu ihrer wohl größten Enttäuschung, welche dann in Resignation und völlige Selbstaufgabe mündet. Ich kann mir nicht im entferntesten vorstellen, wie sich ein Vergewaltigungsopfer während und nach der Tat fühlt, deswegen möchte ich das an dieser Stelle nicht weiter ausführen. Was ich aber mitnehme, ist wie wichtig das „gehört-werden“ für einen Menschen sein kann. Nach einem solchen Erlebnis ist es wohl das schlimmste, nicht ernst genommen zu werden oder sogar Ignoranz zu erfahren. Und selbst den Schritt, welchen Hannah Baker in der Serie geht, nämlich (wenn auch verkappt) darüber zu reden und Hilfe zu suchen, ist für viele unfassbar schwierig und aufreibend. Deswegen der Appell an dieser Stelle: Sollte jemand mit einem solchen, aber auch völlig anderen ernsten Anliegen zu euch kommen, hört bitte hin und nehmt es ernst. Lasst die betroffene Person nicht allein und sucht sofort professionelle Hilfe. Meine Erfahrung ist, dass wenn ein Mensch mit schwersten seelischen Leiden sich zu offenbaren versucht, aber im ersten Moment nicht richtig verstanden wird, was auch völlig unabsichtlich passieren kann (!), er oder sie dann versucht, schnell vom Thema abzulenken und die eigene Situation herunter zu spielen. Seid wachsam und habt für eure Mitmenschen immer ein offenes Auge und Ohr, am besten von beiden zwei, damit sich die Betroffenen nicht völlig allein gelassen fühlen.

Das Gefühl von Einsamkeit ist ein Resultat diverser Gründe, muss aber nie das endgültige Resultat sein, denn ständig passiert etwas neues um uns herum. Achtsamkeit ist ein Schlüssel, um diese Dinge wahrnehmen zu können. Auch ich muss noch viel an meiner Achtsamkeit arbeiten, um mich nicht zu schnell der Resignation hinzugeben. Das kann mensch trainieren, aber ich selbst kenne die Probleme mit der Motivation und der Hoffnung für so etwas.

Wir müssen permanent an uns selbst arbeiten, besonders in Zeiten wie diesen, in denen das Tempo um uns herum so rasant zunimmt. Für viele Menschen ist das zu viel, auch wenn sie nicht von z.B. Mobbing betroffen sind. Deswegen können wir alle etwas dazu beitragen, dass es für unsere Mitmenschen in ihren dunkelsten Phasen einen Halt und einen Silberstreifen am Horizont gibt, so kitschig das auch klingen mag. Ich möchte meinem sozialen Netzwerk an dieser Stelle dafür danken. Nicht alle haben in der Hinsicht so viel Glück wie ich, aber grundsätzlich haben es alle verdient. Wir werden nicht mit negativen Gefühlen oder Emotionen geboren, genauso wenig wie „böse“ Menschen als solche auf die Welt kommen. Wir sind immer Produkte unserer direkten und auch weiter entfernteren Umwelt, besonders in Zeiten der Globalisierung. Aus diesem Grund hat es jeder Mensch verdient, gehört zu werden.

Zum Abschluss nochmal kurz zur Serie. Sie wird sehr kontrovers gesehen und steht teilweise auch heftig in der Kritik. Ich kann die Kritik teilweise nachvollziehen, möchte aber trotzdem dazu raten, die Serie zu schauen. Sie erzeugt ein stärkeres Bewusstsein für alltäglich scheinende Probleme, welche Menschen aber völlig aus der Bahn werfen können und sie bis zum äußersten gehen lassen. Es müssen nicht immer die Härtefälle sein, es können auch viele kleine Dinge einen Menschen komplett zerstören. Wer sich aber zu unsicher ist, ob die Serie ihn oder sie eventuell zu sehr aufwühlt, der/sie sollte es vielleicht doch lieber sein lassen. Einige Szenen sind echt heftig und schwer zu ertragen. Ich musste einige Male kurz unterbrechen, um weiterschauen zu können und ich denke das ging vielen anderen auch so. Letztendlich ist es aber ganz allein deine Entscheidung und im Notfall kann immer noch abgebrochen werden.

Ganz zum Schluss dann noch eine kleine, aber feine Sache (grober Spoiler!). Hannah hatte nicht nur 13 Gründe für ihre Ableben verfasst, es gab auch so etwas wie eine Liste für das Leben. Am Ende sind sich alle Charaktere einig, dass es immer mehr Gründe für, als gegen das Leben gibt.

Hiermit noch einmal offiziell zurück gemeldet

Eure Tanne